Regionale Werkstatt der Mutigen: Demokratie für alle!

Am Freitag, den 21. Februar 2025, fand im anígo SPACE in Berlin-Kreuzberg unsere Veranstaltung „Demokratie für alle – Wie vielfältige Perspektiven die Zivilgesellschaft stärken“ statt. Trotz eines BVG-Streiks kamen viele engagierte Teilnehmer*innen zusammen, darunter Bundestagskandidat*innen verschiedener Parteien und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft.

Mit dabei waren Vertreter*innen verschiedener politischer Parteien sowie engagierte Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft. Menschen aus unterschiedlichen Bereichen, darunter Unternehmertum, Aktivismus und Organisationen mit Fokus auf Migration und soziale Gerechtigkeit, brachten ihre Perspektiven in die Diskussion ein. Gemeinsam wurde erarbeitet, wie die Politik auf Bundesebene zivilgesellschaftliche Initiativen, insbesondere aus unterrepräsentierten Gruppen, effektiver unterstützen kann.

Werkstatt der Mutigen
Ein lebendiger Auftakt

Schon beim Ankommen war ein gewisser Tatendrang spürbar. Durch ein interaktives Kartenspiel von duvia kamen alle schnell ins Gespräch, sodass auch Personen, die allein kamen, mühelos Anschluss fanden.

Zu Beginn der Veranstaltung betonten wir, dass die Repräsentanz vielfältiger Perspektiven essenziell ist, um falsche Glaubenssätze zu durchbrechen. Zu oft glaubten wir als junge Erwachsene selbst, dass „Politik nichts für uns ist, unsere Themen nicht wichtig genug sind oder die anderen Engagierten nicht so sind wie wir.“ Unsere Antwort darauf ist: „Bildet Banden!“ Mit dieser Haltung gründete sich auch duvia e.V. (2019) und setzt sich seitdem u.a. für mehr Chancengerechtigkeit und diversitätssensible Demokratiebildung ein.

Warum diese Veranstaltung?

In einer lebendigen Demokratie sollte es keine unterrepräsentierten Gruppen geben. Doch aktuell zeigt sich, dass gesellschaftliche und politische Repräsentation oft nicht allen offensteht. Deshalb haben wir mit unserer Werkstatt der Mutigen (Project Together) eine Plattform geschaffen, um Ideen und Strategien zu entwickeln, welche die Vielfalt in der Zivilgesellschaft nachhaltig stärken.

Ein Zitat, das wir bedienten, stammt von Prof. Dr. Karim Fereidooni, der treffend formulierte: „Je früher Kinder die Vielfalt unserer Gesellschaft als Normalität kennenlernen, desto kompetenter können sie sich für unsere plurale Demokratie einsetzen.“

Vielfältige Perspektiven als Kraft der Demokratie

In einer ersten Arbeitsphase reflektierten die Teilnehmenden individuell über zentrale Fragestellungen

  1. Warum sind vielfältige Perspektiven aus der Zivilgesellschaft wichtig für die Demokratie?
  2. Zu welchen Themen sollten sie unbedingt gehört werden?
  3. Welche Perspektiven fehlen auf Bundesebene und was sind die Folgen?

In der zweiten Arbeitsphase wurden die zuvor gesammelten Erkenntnisse in einer Dialogrunde im Stuhlkreis besprochen. Dabei wurde vor allem deutlich, warum vielfältige Perspektiven in der Zivilgesellschaft für die Demokratie unabdingbar sind. Sie fungieren als Korrektiv für Politik und Institutionen, schaffen mehr Transparenz und tragen dazu bei, Extremismus entgegenzuwirken. Zudem stärken sie Innovationskraft und Problemlösungsfähigkeiten. Ein Teilnehmer brachte es prägnant auf den Punkt: „Vielfalt ist unsere Realität. Die Demokratie verliert sonst ihre Legitimation.“ Eine Bundestagskandidierende ergänzte, dass gerade Menschen ohne Wahlrecht über die Zivilgesellschaft gehört werden müssten, um trotzdem Einfluss nehmen zu können. Und eine andere Politikerin betonte wiederum, dass eine Gesellschaft ohne Spaltung mehr Raum für gute Ideen habe.

Auf die Frage, zu welchen Themen vielfältige Perspektiven aus der Zivilgesellschaft besonders gehört werden sollten, wurden mehrere zentrale Bereiche identifiziert. Dazu gehören der Zugang zu digitalen Ressourcen und digitaler Bildung. Im Austausch wurde hierbei die Bedeutung von Kompetenzen im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unterstrichen: „Wir wissen noch nicht, was das mit unserer Gesellschaft macht.“ Auch soziale Gerechtigkeit und eine diversitätssensible Bildungsarbeit wurden als zentrale Themen genannt. Hier wurde betont, dass Migration nicht nur als Sicherheitsproblem betrachtet werden dürfe, sondern als integraler Bestandteil der Gesellschaft. Weitere wichtige Themen waren Gesundheit und Pflege – einschließlich psychischer Gesundheit –, Stadtentwicklung und bezahlbarer Wohnraum. Ein Teilnehmer brachte all diese Forderung mit einem bekannten Leitsatz auf den Punkt: „Nothing about us, without us.“

Auf die dritte Frage – welche Perspektiven auf Bundesebene fehlen und welche Folgen das hat – wurde klar, dass verschiedene Gruppen in politischen Entscheidungsprozessen kaum repräsentiert sind. Menschen mit Behinderung, ältere Menschen, Kinder und Jugendliche, Personen in prekären finanziellen Situationen, Nicht-Akademiker*innen sowie diskriminierungserfahrene und migrantische Perspektiven finden oft keinen Platz in politischen Debatten. Dies führt zu einem Demokratiedefizit: Wenn die Stimmen Betroffener nicht gehört werden, leidet die Legitimität und Wirksamkeit der Demokratie insgesamt.

Imperssionen von der Werkstatt der Mutigen
Lösungsansätze und Forderungen

In der dritten Arbeitsphase wurden konkrete Forderungen formuliert:

  • Unternehmen sollen sich finanziell an sozialen und gemeinwohlorientierten Organisationen beteiligen
  • Personalpolitik in Unternehmen muss Coaching-Mentalität fördern: Reverse Mentoring sowie Erfahrungsaustausch zwischen älteren und jungen Talenten
  • Gemeinnützigkeitsrecht verschlanken, um zivilgesellschaftliche Arbeit nicht zu verhindern
  • Digitaler Ressourcen bereitstellen, mehr Transparenz Seitens der Exekutive: Open Data und Zugänge schaffen
  • Vielfalt in den Medien stärken
  • Fördervergabe: agiler, schlanker, flächendeckende strukturelle Förderung >> hier auch die Zivilgesellschaft aktiv einbinden
  • Quoten, um Listen mit fehlenden Perspektiven zu ergänzen
  • Nebeneinkünfte deckeln

Eine besonders eindrückliche Anekdote erzählte Reina-María Nerlich von duvia. In einem Workshop, an einer unserer Partnerschulen, wurde das Konzept eines demokratischen Rotationsprinzips diskutiert – also die Idee, dass jede*r in einer Gesellschaft früher oder später eine verantwortungsvolle Rolle übernehmen könnte. Daraufhin meldete sich ein Schüler zu Wort und sagte erstaunt: „Dann muss ich das ja auch können!“ Genau darin liegt die zentrale Herausforderung: Ein demokratisches System sollte alle Menschen so vorbereiten und befähigen, dass sie jederzeit Verantwortung übernehmen können – sei es in der Politik, in der Zivilgesellschaft oder in ihrem direkten Umfeld. Dafür braucht es das Wissen um die Bedarfe und vielfältigen Perspektiven der Zivilgesellschaft.

Ein bewegender Abschluss

Zum Abschluss wurde deutlich, wie wichtig physische Zusammenkünfte sind. „Verdammt wichtig, immer weiterzumachen!“ war eine der Stimmen aus dem Raum.

Eine Bundestagskandiderendebetonte formulierte als konkreten nächsten Schritt, aktiv auf Menschen zuzugehen, die keinen Zugang zu Abgeordneten haben. Gleichzeitig gab es kritische Stimmen: „Führen wir nach der Wahl nur noch Abwehrkämpfe? Wie viel können wir gestalten?“ Die Antwort lag in der Strategie: sich gezielt zu vernetzen und jetzt zu handeln.

Besonders erfreulich: Der Wunsch u.a. auch der Bundestagskandidat*innen, im Austausch mit der ZIvilgesellschaft zu bleiben. Nicht erst in einem Jahr wieder zusammenkommen, sondern kontinuierlich im Gespräch bleiben.

Mit dieser Energie endete ein inspirierender Abend, der Mut machte und zeigte: Demokratie lebt von Beteiligung. Und je mehr Perspektiven sie einschließt, desto stärker wird sie.

Danke an alle, die dabei waren und diese Werkstatt der Mutigen mitgestaltet und es so treffend formuliert haben:

“Das Zusammenkommen vor Ort hat gut getan. Es braucht gerade jetzt Orte, wo man sich physisch begegnen und produktiv arbeiten kann.”

 

Die „Werkstatt der Mutigen“ ist eine Initiative, die aus dem Bündnis „Vereint für Demokratie“ hervorgegangen ist und sich als Allianz von regionalen Gestalter*innen und Bundestagskandidierenden aus ganz Deutschland präsentiert. Ziel der Initiative ist es, durch Vernetzung und Zusammenarbeit an parteiübergreifenden Lösungen zu arbeiten, die sich lokal bewährt haben und als Inspiration für die Bundespolitik dienen können. Nach der Auftaktveranstaltung am 29.01.25 in Berlin wurden in bundesweiten regionalen Werkstätten, Lösungsansätze vorgestellt und weiterentwickelt, um die politische Kultur und die aktive Mitgestaltung der Zivilgesellschaft zu fördern. Wir setzten so eine regionale Werkstatt um. Weitere Informationen auf werkstatt-der-mutigen.org.

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